Auch wenn es der Name nicht verrät, ist Ju-Jutsu eine Kampfsportart, die in Deutschland entwickelt wurde. Sie setzt sich aus verschiedenen Kampfsportarten wie Karate, Aikido und Boxen zusammen und dient vor allem der Selbstverteidigung. Doch Ju-Jutsu ist auch eine Wettkampfsportart. Wir haben den Bundestrainer Steffen Heckele zum Thema Integration im Wettkampfsport befragt.
Es ist Donnerstagabend 21:00 Uhr. Steffen Heckele steht seit zwei Stunden auf der Matte und gibt Anweisungen, zeigt neue Techniken oder korrigiert seine Athleten. Kurz: Er betreut das Fighting-Training am Bundesstützpunkt in Sindelfingen.
Seit 1993 betreibt Steffen Heckele selbst Ju-Jutsu und ist seit 2002 Bundestrainer der Männer im Fighting-Bereich des Deutschen Ju-Jutsu Verbandes. Als Bundetrainer plant er das Training am Leistungsstützpunkt, die Lehrgänge und außerdem betreut er die Athleten bei Wettkämpfen. Im Interview berichtet er über die Arbeit im Bundeskader und das Teamgefühl des doch sehr vielfältigen deutschen Teams.
Das Fighting-System im Ju-Jutsu besteht aus drei Parts. Gewonnen hat derjenige Athlet, der nach der Kampfzeit von drei Minuten mehr Punkte erreicht hat. Oder der Athlet der vor Beendung der Kampfzeit in jedem der drei Parts mindestens einen Ippon (voller Punkt für eine sehr saubere Technik), von den drei Kampfrichtern erhalten hat. Quelle: Katharina Wäschle
Steffen: Das Besondere an meiner Arbeit ist, dass ich mit hochmotivierten Sportlern zusammen arbeiten darf, die in einem Nicht-Profi-Sport spitzen Leistungen bringen, spitzen Trainingsumfänge machen ─ zwischen 18 und 24 Stunden in der Woche ─ und sind mit voller Begeisterung dabei. Und das macht eben richtig Spaß.
Steffen: Ich denke Kampfsport generell, und im speziellen das Ju-Jutsu, ist durch die Körperlichkeit die vorherrscht für Menschen mit Migrationshintergrund eine attraktive Sportart. Diese Leute können damit gut umgehen und bleiben daher dann oft dabei. Außerdem habe ich das Gefühl, dass Kampfsportler generell sehr offen sind und da sehr wenig Grenzen bestehen: da gibt es keine Vorurteile oder man wird nicht ausgegrenzt.
Steffen: Ja auf jeden Fall. Im Bundeskader sind ganz viele Athleten, deren Nachnamen zwar typisch „deutsch" klingen, aber deren Wurzeln trotzdem in anderen Kulturen liegen. Hier sehe ich aber eigentlich keine Probleme: Vielfalt ist hier sogar besser.
Steffen: Im Bundeskader sind viel Sportler, die ihre Wurzeln im osteuropäischen Raum haben. Es ist eine echte Bereicherung wenn wir beispielsweise auf einem Wettkampf im Ausland sind und Leute dabei haben die russisch oder italienisch sprechen.
Steffen: Ju-Jutsu ist prinzipiell wie jede Kampfsportart eine Einzelsportart. Doch die Teamwettkämpfe sind noch einmal eine Wahnsinns Motivation für alle. Hier entsteht noch mal ein wahnsinniges Zusammengehörigkeitsgefühl, ein ganz anderes Anfeuern. Das Finale der Teamwettkämpfe war hoch emotional und trotzdem wurde jeder super angefeuert und das hat für das Team sehr viel gebracht.
Weltmeisterschaft 2014 in Paris
Hier ein kleiner Einblick in einen Ju-Jutsu Wettkampf. Video der Deutschen Nationalmannschaft.
Ju-Jutsu ist eine sehr internationale Wettkampfsportart. An der Weltmeisterschaft 2014 in Paris haben 371 Athleten aus den unterschiedlichsten Ländern der Welt teilgenommen. Quelle: Katharina Wäschle
Steffen: Also früher war es ja wirklich so, dass sich Länder aneinander gemessen haben. Da wollte jedes Land das Beste sein. Heute geht es meiner Meinung nach aber eher um den sportlichen Wettkampf. Ich denke auch für viele unserer Sportler ist das so, denn bei uns gibt es kein Geld. Und natürlich geht es für die Sportler auch darum stolz sein zu können. Vom Prinzip her sind unsere Sportler auf drei Sachen stolz: erstens auf die eigene Leistung, Zweitens auf die Leistung die sie in und für das Team bringen und Drittens im weiteren Sinne die Leistung die sie für ihr Land bringen.
Steffen: Es kommt darauf an wie man Gewalt definiert. Im Ju-Jutsu allgemein werden Techniken angewandt, die man zur Selbstverteidigung nutzen kann. Im Notfall bedeutet das also, dass man seinen Willen mit Gewalt gegen Widerstand durchsetzt. Und genau so sehe ich den Wettkampfsport nicht. Ich sehe Wettkampf generell auf Integration bezogen eher so: Es wird keine Gewalt in dem Sinne ausgeübt. Vielmehr misst man sich mit anderen in einem Regelwerk. Man macht eine wahnsinnige Körpererfahrung; man erkennt seine eigenen Grenzen; man erkennt die Grenzen der Partner und man akzeptiert sich im ganzen Prozess.
Katharina Wäschle
Medienwirtschaft
Eingeschrieben seit: Wintersemester 2013/14